Plötzlich ist der Koffer weg – und jetzt?

Bestimmt kennen Sie die Schauergeschichten, oder es ist Ihnen schon einmal selbst passiert: Man befindet sich auf den Weg in den wohlverdienten Urlaub – aber als man nach Stunden im Flugzeug endlich am Zielort ankommt, ist das Gepäck nirgends auffindbar.

Obwohl man sich einen schlechteren Urlaubsstart kaum ausmalen kann, stehen Sie als Passagier nicht ohne Rechte dar. Ob verlorenes, beschädigtes oder verspätetes Gepäck – hier klären wir Sie über Ihre Ansprüche auf und zeigen Ihnen, wie Sie weiter vorgehen können.

Die Haftung bei Gepäckproblemen – das sind Ihre Ansprüche

Zuerst einmal ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Sie mit Ihrer Situation nicht alleine sind. Jeder 144. Fluggast in Europa hat schon einmal Erfahrungen mit abhanden gekommenem Gepäck gemacht, das bedeutet rund ein verlorener Koffer pro Flugzeug. Dementsprechend gibt es gesetzliche Regelungen, die Ihre Rechte mit verlorenem oder beschädigtem Gepäck regeln – allen voran das sogenannte Montrealer Übereinkommen, das für Sie als EU-Bürger weltweit gilt. Die Fluggesellschaft haftet danach grundsätzlich für sämtliche Gepäckverspätungen, aber auch verloren gegangene oder beschädigte Gepäckstücke.

Anders als bei Flugverspätungen in der EU gibt es für abhanden gekommenes oder beschädigtes Gepäck keine pauschal festgelegten Beträge, die Sie von der Airline anfordern können.

Vielmehr ist eine Entschädigung abhängig vom konkreten Schaden, also davon, welche Gepäckstücke verloren gegangen sind sowie ob und wann sie wieder aufgetaucht sind. Dies bedeutet, dass:

  • Sie Ihren Schaden konkret nachweisen und beziffern können.
  • im Einzelfall bereits sehr kurze Verspätungen zu Ersatzansprüchen führen können (Beispiel: Sie haben einen wichtigen Geschäftstermin verpasst)
  • die Fluggesellschaft den Schadensersatz nur dann verweigern kann, wenn sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen hat.

Die Höchstgrenze des Schadensersatzes liegt dabei bei ca. 1.333 Euro.

Der Einfachheit halber unterscheiden wir erst einmal zwischen verspätetem Gepäck, endgültig verloren gegangenem und beschädigtem Gepäck.

Verspätetes Gepäck – kann ich jetzt erst einmal shoppen gehen?

Die Beantwortung dieser Frage ist schaden- und damit einzelfallabhängig. Bei verspätetem Fluggepäck sind Sie zwar grundsätzlich dazu berechtigt, Ersatzkäufe zu tätigen – es ist aber wohl nicht angemessen, sich etwa bei einer Gepäckverspätung von ein oder zwei Tagen eine komplett neue Garderobe zuzulegen.

Allgemein gilt: Notwendige Einkäufe, also z.B. Hygieneartikel wie Zahnbürsten, Medikamente oder Unterwäsche werden, insbesondere bei mehrtägigen Verspätungen, in der Regel anstandslos von der Airline übernommen. Sie dürfen sich diese also direkt vor Ort beschaffen. Aber auch hier müssen die Ersatzkäufe natürlich angemessen sein – wenn Sie sich nun eine hochpreisige elektrische Zahnbürste oder die neuste Designerunterwäsche kaufen, wird die Fluggesellschaft diese Kosten vermutlich berechtigterweise nicht vollständig übernehmen. Ferner ist zu beachten, dass viele Fluggesellschaften bei Kleidung nur 50 % der Kosten erstatten, wenn Ihr Gepäck wieder auftaucht. Denn hier können Sie die Kleidungsstücke in Ihrem Koffer ja weiterhin verwenden.

Kassenbelege sammeln: Bewahren Sie in jedem Fall Belege über sämtliche Ausgaben auf, die Sie wegen der Gepäckverspätung tätigen mussten!

Auf nimmer Wiedersehen – ab wann gilt Ihr Gepäck als endgültig verloren?

Ist Ihr Gepäckstück nach 21 Tagen nicht wieder aufgetaucht, gilt es als endgültig verloren gegangen. Ab dann können Sie Schadenersatz für den Verlust des Gepäckstücks sowie dessen Inhalt fordern; der Höchstbetrag liegt hier, wie gesagt, grundsätzlich bei ca. 1.333 Euro – es sei denn, Sie haben zuvor einen höheren Betrag mit der Airline ausgemacht.

Wenn der Verlust Ihres Gepäckstückes auf einen Defekt desselben zurückzuführen ist, haben Sie hingegen keine Ansprüche gegen die Fluggesellschaft.

Unser Tipp: Sollten Sie besonders hochwertige Gegenstände im Gepäck transportieren, kann es sich lohnen, dies vorher mit der Fluggesellschaft abzusprechen und eine Wertdeklaration zu machen. Dann steht Ihnen unter Umständen bei Verlust des Koffers und dessen Inhalt auch ein höherer Betrag als Schadensersatz zu. Generell kann es auch sinnvoll sein, vorhandene Quittungen für hochwertige Gegenstände im Vorfeld griffbereit zu haben und vor dem Urlaub eine Liste mit dem Gepäckinhalt zu erstellen – dies kann bei Beweisfragen ein großer Vorteil für Sie sein. Weitere Tipps zur Vorsorge finden sie weiter unten.

Kaputte Griffe und Rollen, zerrissener Stoff – was Sie tun können, wenn Ihr Gepäck beschädigt wurde

Auch, wenn Ihr Reisegepäck beschädigt wurde, haftet die Fluggesellschaft maximal mit 1.333 Euro, sofern Sie nicht im Vorfeld etwas anderes vereinbart haben. Beachten sollten Sie auch, dass hier stets nur der Zeitwert ersetzt wird – dies bedeutet, dass Sie nicht den Neupreis eines Koffers oder Rucksack verlangen können.

Fristen – bis wann Sie verlorenes, verspätetes und beschädigtes Gepäck gemeldet haben müssen

  • Verspätetes und verlorenes Gepäck: Da Sie zu Beginn nicht wissen können, ob Ihr Gepäck sich nur um einige Tage verspätet oder endgültig verloren gegangen ist, sollten Sie in jedem Fall sofort zum Reklamationsschalter gehen und den Schaden hier persönlich melden. Spätestens nach 21 Tagen – hier gilt das Gepäck, wie gesagt, dann auch als endgültig abhandengekommen – müssen Sie sich bei der Airline schriftlich gemeldet und diese über den Verlust informiert haben; ansonsten verfällt Ihr Anspruch auf Schadenersatz.
  • Beschädigtes Gepäck: Ab Erhalt des Gepäcks haben Sie nur 7 Tage lang Zeit, der Airline den Schaden schriftlich zu melden. Auch hier ist es jedoch ratsam, sich direkt am Flughafen an die Airline zu wenden – am besten an deren eigenem Schalter.

Keine Zeit verlieren: Bei Gepäckverlust und –beschädigung sollten Sie die Schäden also immer sofort mündlich reklamieren und sie dann schnellstmöglich schriftlich rügen! Nur so behalten Sie im Zweifelsfall Ihren Anspruch auf Schadenersatz.

Ausnahme Pauschalreise

Bei einer Pauschalreise, bei der Sie etwa Flug und Hotel über einen Veranstalter zusammen gebucht haben, sollten Sie sich nicht nur bei der Airline, sondern auch beim Reiseveranstalter beschweren. Sie können hier pro Tag ohne Ihr Gepäckstück bis zu 30 Prozent vom Tagespreis der Pauschalreise zurückverlangen.

Die Checkliste für den Ernstfall - Ruhe bewahren

Falls Ihr Gepäck beschädigt wurde, verloren gegangen oder verspätet ist – wir haben hier eine Checkliste für den Fall der Fälle für Sie zusammengestellt.

  • Ruhe bewahren: Die meisten Koffer – ganze 95 % - tauchen nach einigen Tagen wieder auf, vier von fünf sogar ohne Schäden. Nur eines von zwanzig vermissten Gepäckstücken taucht gar nicht mehr auf – und dann haben Sie unter Umständen Ansprüchen auf eine relativ hohe Summe an Schadenersatz. Behalten Sie also einen kühlen Kopf – dies hilft Ihnen auch in den Auseinandersetzungen mit der Fluggesellschaft.
  • Den Verlust unverzüglich melden: Begeben Sie sich unmittelbar zum Reklamationsschalter, auch „Lost&Found“-Schalter. Sie werden hier ein Formular erhalten, das Sie ausfüllen können; geben Sie hier die Adresse Ihrer Unterkunft an. Meistens kann Ihr Gepäckstück nachgeliefert werden. Und auch, wenn es im Urlaub nervt – am besten kontaktieren Sie auch schnellstmöglich die Airline, schriftlich oder wenn möglich per E-Mail oder App. So sind Sie bei den relativ kurzen Fristen auf der sicheren Seite, was Ihre Schadensersatzansprüche angeht.
  • Kaufen Sie notwendige Gegenstände und bewahren Sie die Rechnung auf: Ob Zahnbürste, Duschgel oder Unterhose – Gegenstände, die Sie für Ihren täglichen Bedarf benötigen dürfen Sie sofort nachkaufen. Bewahren Sie alle Belege auf, um Ihn später bei der Fluggesellschaft einreichen zu können.
  • Nachfragen: Manche Fluglinien geben im Falle des Gepäckverlusts selbst Grundausstattung aus. Möchten Sie das Nötigste nicht selbst kaufen, können Sie hiervon Gebrauch machen.
  • Übertreiben Sie es nicht: Sehen Sie den Gepäckverlust aber bitte nicht als Freifahrtschein zum dekadenten Shoppingtrip am Flughafen oder Reiseziel an – ansonsten bleiben Sie nachher auf den Kosten sitzen und vermiesen sich selbst die Ferien.
  • Schäden dokumentieren: Sollten Sie Ihren Koffer oder Rucksack beschädigt zurückerhalten haben, fotografieren Sie dies und melden Sie es der Airline am besten sofort, spätestens aber sieben Tage, nachdem Sie das Gepäckstück wiedererhalten haben.
  • Schadensersatz fordern: Machen Sie Ihre Schäden schriftlich bei der Fluggesellschaft geltend. Unsere Experten für Reiserecht helfen Ihnen gerne dabei!

Unsere Vorsorgetipps – so vermeiden Sie Stress wegen Gepäckproblemen

Hier haben wir eine Liste mit Tipps für Sie zusammengestellt, mit denen Sie sich bereits im Vorfeld absichern können:

  • Dokumentation: Fotografieren Sie den Inhalt Ihres Koffers und bewahren Sie die Packliste auf. Dies hilft Ihnen später bei der Dokumentation des entstandenen Schadens weiter.
  • Wertdeklaration: Zeigen Sie hochwertige Gegenstände im Vorfeld bei der Fluggesellschaft an; im Zweifel bekommen Sie dann eine höhere Summe an Schadensersatz zugesprochen.
  • Adresse und Telefonnummer: Vermerken Sie am Gepäckstück Ihre Kontaktdaten; die meisten Koffer haben hierfür ein eigenes Schild angebracht. So können Sie im Fall der Fälle schnell kontaktiert werden.
  • Aufteilen: Sollten Sie mit mehreren Personen in den Urlaub fliegen, teilen Sie die wichtigsten Gegenstände auf Ihr Gepäck auf. Sollte ein Gepäckstück verloren gehen, haben Sie für den Notfall immer noch das Nötigste im anderen Koffer.
  • Nutzen Sie das Handgepäck: Wenn Sie Wertgegenstände oder Dinge mit hohem persönlichen Wert im Handgepäck transportieren, vermeiden Sie, dass diese unterwegs verloren gehen. Aber Achtung: Beachten Sie die Richtlinien und Sicherheitshinweise Ihrer Fluglinie zum Handgepäck!

Die Airline stellt sich quer – und jetzt?

Leider kommt es in der Praxis oft vor, dass die Airline behauptet nicht schadenersatzpflichtig zu sein oder auf Ihre Entschädigungsforderungen erst gar nicht reagiert. Falls Sie sich hier im Stich gelassen fühlen, helfen unsere Experten für Reiserecht Ihnen gerne weiter – kontaktieren Sie jetzt einen Spezialisten.