Flugverspätung: Das sind die Voraussetzungen für Ihre Entschädigung

Wahrscheinlich haben auch Sie es schon einmal erlebt: Die Koffer sind gepackt und Sie befinden sich am Flughafen auf dem Weg in den wohlverdienten Urlaub. Doch dann verspätet sich Ihr Flug – Ihre sorgfältige Planung wird über den Haufen geworfen und die Urlaubsvorfreude ist erst einmal verflogen. Dank der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 stehen Ihnen in einem solchen Fall unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Verpflegung, Betreuung und gegebenenfalls auch eine Entschädigung zu. Was Sie bei einer Flugverspätung tun können, ob Ihnen eine Entschädigung zusteht und wenn ja, in welcher Höhe – das erklären wir Ihnen in diesem Artikel.

Wann steht Ihnen grundsätzlich eine Entschädigung zu?

Hat Ihr Flug über zwei Stunden Verspätung, können Sie zwar keine Ausgleichszahlung verlangen; allerdings muss Ihnen die Airline ab diesem Zeitpunkt Verpflegung zur Verfügung stellen sowie zwei Telefonate, E-Mails oder Faxe ermöglichen.

Ab einer Flugverspätung von drei Stunden können Sie von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung verlangen.

Voraussetzung hierfür ist, dass Sie entweder

  • In einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) gestartet sind oder
  • Sie in einem EU-Mitgliedstaat gelandet sind und die Airline Ihren Hauptsitz in Europa hat.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Wenn Sie von Tel Aviv nach Frankfurt fliegen, steht Ihnen bei einer mehr als dreistündigen Verspätung nur dann eine Entschädigung zu, wenn Sie mit einer europäischen Airline wie z.B. der Lufthansa geflogen sind. Wären Sie mit der israelischen Fluggesellschaft El Al von Tel Aviv aus gestartet, könnten Sie keine Entschädigung verlangen.

Eine Entschädigung steht Ihnen auch dann zu, wenn Sie aufgrund der Verspätung Ihren Anschlussflug verpasst haben; dies selbst dann, wenn der Anschlussflug außerhalb von Europa hätte erfolgen sollen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sie die Flüge zusammen gebucht haben.

Wichtig zu wissen ist auch, dass Sie den verspäteten Flug nicht tatsächlich in Anspruch genommen haben müssen, um eine Entschädigung verlangen zu können.

Unser Tipp bei Langstrecken- und Anschlussflügen: Achten Sie insbesondere bei der Flugsuche im Internet darauf, dass Sie den Zubringerflug von einem EU-Flughafen und den außereuropäischen Anschlussflug gemeinsam buchen. Nur dann werden diese als ein Flug gewertet und sie bekommen gegebenenfalls eine Entschädigung – dies auch dann, wenn der Anschlussflug außerhalb der EU stattfand.

Wie hoch ist die Entschädigung, die Ihnen zusteht?

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, so stellt sich natürlich die Frage, wie viel Geld Sie von der Fluggesellschaft verlangen können. Die Höhe der Entschädigung richtet sich dabei nach der Verspätung und der Länge der Flugstrecke. Grundsätzlich gilt:

  • Bei Flügen mit bis zu 1.500 Kilometern Flugstrecke stehen Ihnen 250 Euro Entschädigung zu.
  • Bei Flugstrecken von mehr als 1.500 Kilometern stehen Ihnen 400 Euro Entschädigung zu.
  • Bei Flugstrecken über 3.500 Kilometern mit Start oder Ziel außerhalb der EU können Sie bis zu 600 Euro verlangen.

Achtung: Im Falle einer Flugstrecke von über 3.500 Kilometern sowie Start oder Landung außerhalb der EU darf die Fluggesellschaft die Entschädigung um 50 Prozent kürzen, wenn sich der Flug nicht mehr als vier Stunden verspätet hat.

Ausnahmen: Bei außergewöhnlichen Umständen muss die Airline nicht zahlen

Liegen außergewöhnliche Umstände vor, auf die sich die Fluggesellschaft berufen kann, haben Sie leider keinen Anspruch auf Entschädigung. Als Faustregel kann man sich hierbei stets fragen, ob die Fluggesellschaft „etwas dafür konnte“, die Verspätung also mit angemessenem Aufwand hätte verhindern können. Letztlich hängt dies aber immer vom Einzelfall ab – die wichtigsten Fälle haben wir daher hier für Sie aufgelistet:

  • Naturkatastrophen und schlechte Wetterbedingungen: Bei extrem schlechtem Wetter liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor; die Airline muss die Maschine allerdings entsprechend ausrüsten, also z.B. Enteisungsmittel bereitstellen. Tut sie dies nicht, kann sie sich nicht auf schlechtes Wetter berufen. Bei Naturkatastrophen wie einem Vulkanausbruch muss die Fluggesellschaft hingegen nicht zahlen.
  • Terrorgefahr: Unruhen und eine instabile politische Lage im Zielland sind als außergewöhnlicher Umstand zu betrachten.
  • Computerausfall am Terminal: Ein kompletter Computerausfall am Terminal berechtigt die Airline dazu, sich auf außergewöhnliche Umstände zu berufen.
  • Vogelschlag: Der Zusammenstoß mit Vögeln lässt die Entschädigungspflicht der Airline ebenfalls entfallen.
  • Streik: Bei einem Streik kommt es, wie so oft im Leben, darauf an – grundsätzlich gilt etwa ein Pilotenstreik als außergewöhnlicher Umstand. Der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem aber entschieden, dass nicht jeder Streik automatisch dazu führt, dass die Airline nicht zahlen muss. Letztlich kommt es hier stets auf den Einzelfall an.

Generell gibt es in diesem Bereich eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die sich nicht ganz einfach überblicken lassen. Falls Sie sich unsicher sind, ob ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, sprechen Sie am besten mit einem Experten über Ihren persönlichen Fall.

Unser Tipp: Fordern Sie im Falle eines Streiks immer eine Entschädigung an. Denn die Airline muss beweisen, dass der Streik im konkreten Einzelfall ein außergewöhnlicher Umstand war – und nicht umgekehrt.

Flugverspätung, was nun? Wir erklären Ihnen das weitere Vorgehen.

Das Vorgehen im Rahmen einer Flugverspätung kann schnell überfordern; es ist leicht, bei den ganzen Zahlen und Rechtsbegriffen den Überblick zu verlieren. Wir haben Ihnen eine „To-Do-Liste“ mit den nächsten Schritten für den Fall der Fälle zusammengestellt- damit Sie die Entschädigung bekommen, die Ihnen zusteht.

1. Am Flughafen

  • Bereits ab einer zweistündigen Verspätung können Sie Verpflegung und Betreuung einfordern. Wichtig: Der Anspruch auf Verpflegung und Betreuung besteht unabhängig von der Entschädigungszahlung! Wenn die Airline Ihrer Pflicht hier nicht nachkommt, können Sie die entstandenen Kosten in Form von Schadenersatz geltend machen.
  • Sammeln Sie daher alle Belege über etwaige Ausgaben, z.B. für Verpflegung oder eine Unterkunft
  • Am besten holen Sie eine schriftliche Begründung über die Verspätung ein. Wenn Sie eine solche nicht erhalten, hilft Ihnen dies später bei der Argumentation, da wahrscheinlich keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.

2. Im Nachhinein

  • Errechnen Sie zunächst die Distanz zwischen den Flügen. Zahlreiche Rechner im Internet helfen Ihnen hierbei. Beachten Sie bitte, dass Sie die Flugstrecken bei Zwischenstopps nicht addieren dürfen – jeder Flug zählt einzeln und hiernach richtet sich auch Ihre Entschädigung!
  • Sie können die Entschädigung dann selbst von der Airline einfordern. Hierzu finden Sie zahlreiche Musteranschreiben im Internet. Aber aufgepasst: Leider reagieren viele Fluggesellschaften erfahrungsgemäß erst dann, wenn Sie einen Anwalt einschalten. Dies läuft der Fluggastrechteverordnung entgegen, entspricht aber bislang weitgehend der Realität.
  • Alternativ können Sie noch heute mit einem Experten über die Durchsetzung Ihrer Fluggastrechte sprechen.

Besser spät als nie: Übrigens - Sie müssen Ihren Entschädigung nicht sofort einfordern! Ihre Ansprüche verjähren nach der regulären Frist, also nach drei Jahren.