Formulierungen im Arbeitszeugnis – „stets bemüht“ ist nicht gut gemeint

Wenn das Arbeitsverhältnis endet, steht Ihnen als Arbeitnehmer ein schriftliches Arbeitszeugnis zu – dies legt § 109 Abs. 1 der Gewerbeordnung so fest. Sie haben damit einen gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Wie dieses dann allerdings ausfällt, ist eine andere Frage – und hinter den oft äußerst positiv klingenden Formulierungen verbirgt sich nicht allzu selten eine weniger wohlwollende Beurteilung.

In diesem Artikel erfahren Sie, worauf Sie bei der Zeugnissprache achten sollten, was genau es mit der verschlüsselten Schulnotenskala auf sich hat – und was Sie tun können, wenn Sie mit den Formulierungen in Ihrem Zeugnis unzufrieden sind.

Welche Bedingungen muss ein Arbeitszeugnis erfüllen?

Das Arbeitszeugnis muss drei Bedingungen erfüllen:

  • Erstens muss das Arbeitszeugnis wahr sein.
  • Zweitens muss ihr Arbeitgeber Ihnen ein wohlwollendes Zeugnis ausstellen.
  • Drittens muss das Zeugnis vollständig sein; es darf also nichts ausgelassen werden, was der Leser von einem Arbeitszeugnis in der Regel erwartet.

Offene Kritik Ihres Arbeitgebers im Zeugnis ist damit ausgeschlossen – denn es muss ja wohlwollend sein. Im Umkehrschluss führt dies in der Praxis allerdings dazu, dass sich hinter auf den ersten Blick positiv klingenden Formulierungen eine Art „Geheimcode“ verbirgt, mit dem Personaler einschätzen können, wie wohlwollend Ihr Zeugnis wirklich ausgefallen ist.

„Geheimcodes“ sind – eigentlich – verboten: In § 109 Abs. 2 der Gewerbeordnung steht, dass das Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, die „eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer“ treffen sollen. Das bedeutet konkret: Keine Geheimcodes! Die unten vorgestellte Schulnotenskala zum Arbeits- und Sozialverhalten ist allerdings seit langem auch von den Arbeitsgerichten anerkannt. Verboten hingegen sind verschlüsselte Formulierungen, die nicht so etabliert sind wie das Schulnotensystem und deren Bedeutung aus dem Wortlaut für den Laien nicht direkt ersichtlich ist, z.B. „Er hat mit seiner geselligen Art zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen“ als versteckten Hinweis auf ein Alkoholproblem des Mitarbeiters.

Einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Arbeitszeugnis.

  • Ein einfaches Arbeitszeugnis erhält dabei keine Bewertungen Ihrer Arbeitsleistung, sondern lediglich nachprüfbare Fakten. Das können zum Beispiel die Beschäftigungsdauer und die von Ihnen wahrgenommenen Aufgaben sein.
  • Um das qualifizierte Arbeitszeugnis dreht sich dieser Artikel, denn es enthält neben den „harten Fakten“ auch noch eine Beurteilung Ihrer Leistungen. Daher können sich hier Formulierungen verbergen, die Sie kennen sollten und auf die wir gleich näher eingehen werden.

Aus § 109 der Gewerbeordnung ergibt sich, dass sie als Arbeitnehmer die Wahl zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis haben. Sie sollten daher stets ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen.

Der klassische Aufbau eines Arbeitszeugnisses

Zunächst aber setzen wir uns kurz damit auseinander, wie ein Arbeitszeugnis in der Regel aufgebaut ist.

Das Zeugnis beginnt zumeist mit einem Einleitungssatz, in dem Ihre Daten – also Name und Geburtsdatum – sowie die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses genannt sind.

Dann folgt eine Beschreibung Ihrer Tätigkeiten, zumeist mit einer Auflistung Ihrer wesentlichen Aufgaben.

Nach dieser Auflistung geht es „ans Eingemachte“ – jetzt werden im Regelfall Ihre Arbeitsleistung und Ihr Sozialverhalten beurteilt. Hier kommen die gängigen, „codierten“ Formulierungen zum Einsatz, die wir weiter unten für Sie zusammengestellt haben.

Anschließend wird oft der Beendigungsgrund des Arbeitsverhältnisses erwähnt – an dieser Stelle steht dann etwa: „Herr Mustermann verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch“.

Achtung: Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf nur mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung im Zeugnis erwähnt werden!

Schließlich endet das Arbeitszeugnis mit einer Schlussformel und guten Wünschen für die Zukunft sowie der Unterschrift Ihres ehemaligen Vorgesetzten und dem aktuellen Datum.

Geheime Codes im Arbeitszeugnis – so übersetzen Sie die Formulierungen in Schulnoten

Das Arbeitszeugnis muss nicht nur wahr und vollständig, sondern auch wohlwollend sein – deshalb haben sich gängige Formulierungen entwickelt, die sich beim ersten Lesen alle sehr lobend anhören. Chefs und Personaler aber wissen genau, was sich hinter den einzelnen Floskeln verbirgt – den „Geheimcode“ in Schulnoten haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Achtung: Die aufgeführten Formulierungen sind natürlich nur die gängigsten Beispiele und können variieren. Sollten Sie mit Ihrem Arbeitszeugnis unzufrieden sein oder sich unsicher sein, besprechen Sie die einzelnen Formulierungen am besten mit einem Experten!

1. Arbeitsleistung

Hinsichtlich der Leistungen des Arbeitnehmers haben sich folgende Formulierungen etabliert:

Formulierung Schulnote
Frau Musterfrau erfüllte Ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.

Frau Mustermann erledigte die ihre zugeteilten Aufgaben stets selbstständigund mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit.

Wir waren mit Frau Mustermanns Leistungen in jeder Hinsicht außerordentlich zufrieden.
1
Frau Musterfrau erfüllte Ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit. (ohne stets) / …stets zur vollen Zufriedenheit.

Frau Musterfrau arbeitete stets zuverlässig und äußerst gewissenhaft.

Frau Musterfrau hat den Erwartungen in jeder Hinsicht und bester Weise entsprochen.
2
Frau Musterfrau erfüllte Ihre Aufgaben zur vollen Zufriedenheit.

Frau Musterfrau arbeitete gewissenhaft und zuverlässig.

Frau Musterfrau erfüllte die Erwartungen in jeder Hinsicht.
3
Frau Musterfrau erfüllte Ihre Aufgaben zu unserer Zufriedenheit.

Frau Musterfrau hat unseren Erwartungen entsprochen.

Wir waren mit Frau Musterfraus Leistungen zufrieden.
4
Frau Musterfrau erfüllte Ihre Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.

Frau Mustermann hat weitestgehend unseren Anforderungen entsprochen.

Frau Musterfrau war (um eine zuverlässige Arbeitsweise) bemüht.
5

2. Sozialverhalten

Formulierung Schulnote
Im Umgang mit Vorgesetzten, Kollegen (und Kunden) war Frau Musterfrau stets zuvorkommend, freundlich und korrekt. 1
Ihr Verhältnis zu Vorgesetzten, Kollegen (und Kunden) war stets einwandfrei. 2
Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war vorbildlich. 3
Frau Musterfraus persönliches Verhalten war insgesamt einwandfrei. 4
Frau Musterfraus Verhalten war insgesamt ohne Tadel. 5

Die Reihenfolge ist entscheidend: Bei der Zeugnissprache ist jedes einzelne Detail von besonderer Bedeutung – dies zeigt sich schon an der Bewertung zum Sozialverhalten. Denn hier kommt es nicht nur auf die Formulierung, sondern sogar auf die Reihenfolge der Begriffe an: Werden die Vorgesetzten vor den Kollegen genannt, ist alles in Ordnung. Werden die Kollegen aber zuerst genannt, kann dies z.B. bedeuten, dass der Mitarbeiter gegenüber seinem Chef etwas vorlaut war.

Verbotene Zeugnissprache – diese Formulierungen darf Ihr Arbeitgeber nicht verwenden

Wir sehen: Zwar gibt es beim Arbeitszeugnis eine Art „Geheimsprache“, die auch von den Gerichten anerkannt wird – aber die Formulierungsmöglichkeiten sind vielschichtig und können je nach Arbeitgeber variieren. Dies erklärt auch, warum sich deutsche Arbeitsgerichte regelmäßig mit Zeugnisformulierungen auseinandersetzen und deren Zulässigkeit beurteilen müssen. Dies sind zwei klassische Beispiele für verbotene Zeugnissprache, gegen die Sie sich wehren können:

1. Zu überschwängliches Lob bei Selbstverständlichkeiten

Werden zum Beispiel Fähigkeiten, die eigentlich selbstverständlich sind, besonders lobend herausgestellt, ist das nicht unbedingt wohlwollend. Es kann vielmehr auch ironisch wirken und ein versteckter negativer Hinweis darauf sein, dass der Mitarbeiter eben nur die selbstverständlichen Anforderungen erfüllen konnte – und solche verdeckten Hinweise sind nach der Gewerbeordnung nicht erlaubt.

2. „Beredtes Schweigen“: Auslassungen sind unzulässig

Das Weglassen üblicher Formulierungen kann darauf hindeuten, dass der Mitarbeiter hier unterdurchschnittliche Leistungen gezeigt hat, der Arbeitgeber dies aber nicht explizit erwähnen will. Ein solches „beredtes Schweigen“ ist aber unzulässig – werden übliche Leistungen und Eigenschaften in Ihrem Arbeitszeugnis gar nicht erwähnt, können sie verlangen, dass diese ergänzt werden.

Was können Sie tun, wenn Sie mit Ihrem Arbeitszeugnis nicht zufrieden sind?

Wenn Sie mit den Formulierungen in Ihrem Arbeitszeugnis nicht einverstanden sind, können Sie versuchen, eine Anpassung oder sogar ein neues Zeugnis zu verlangen. Die Beweislast für ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Arbeitszeugnis mit den entsprechenden Formulierungen trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer – das bedeutet, dass Sie vor Gericht erklären und beweisen müssen, dass Ihre Leistungen gut oder sehr gut waren. Schlechtere Arbeitszeugnisse dagegen muss der Arbeitgeber begründen. Das bedeutet: Befriedigend ist (fast) immer drin; es sei denn, der Arbeitgeber kann Ihnen unterdurchschnittliche Leistungen nachweisen.

Einen Anspruch auf Änderung oder ein neues Arbeitszeugnis haben sie dann, wenn das Zeugnis nicht den oben beschriebenen Voraussetzungen der Gewerbeordnung entspricht, wenn es also nicht wahr, vollständig und wohlwollend ist. Insbesondere Letzteres ist oftmals Auslegungssache – deshalb macht es Sinn, die Formulierungen gemeinsam mit einem Experten durchzugehen.