Was muss ich als Nachbar erdulden?
Als Nachbar weigern Sie sich selbstverständlich, Beeinträchtigungen, die vom Nachbargrundstück oder von der Nachbarwohnung im Mehrfamilienhaus ausgehen, hinzunehmen. Doch manchmal verlangt der Gesetzgeber von Ihnen genau das.
Handeln im Notfall
Im privaten Nachbarschaftsrecht gibt es Situationen, in denen Eigentumsverletzungen aufgrund einer Notlage gerechtfertigt sind.
Beispiel: Stellen Sie sich einmal vor, das Nachbarhaus brennt und das Feuer droht auf Ihr Haus überzugehen. Kurzum entschließen Sie sich, das Feuer zu löschen. Dabei entsteht dem Nachbarhaus ein Sachschaden – hier ist der Sachschaden gerechtfertigt, da von dem Haus eine Gefahr für Sie selbst ausgegangen war. Der Nachbar muss den Schaden dulden.
Beeinträchtigung durch Immissionen
Lärm, schädliche Gerüche oder aber auch Licht sind Beispiele von Einwirkungen, durch die Beeinträchtigungen entstehen können. Kocht der Nachbar gerne exotisch und empfinden Sie dies als übelriechend, so müssen Sie es jedoch erdulden. Stichwort ist die sogenannte Ortsüblichkeit. Schatten durch Bäume des Nachbarn, Gerüche durch Kochen oder Kindergeschrei im Wohngebiet sind Dinge, die ortsüblich und damit hinnehmbar sind.
Nehmen wir allerdings wieder den Hausbrand als Beispiel und gehen dieses Mal davon aus, dass Sie ihn zu spät erkennen, sodass Ihr Haus erhebliche Schäden durch Rauch und Löschwasser erleidet. Hier muss der Nachbar für den finanziellen Schaden aufkommen (die physische Beschädigung durch Löschwasser bei Hausbrand ist allerdings hinzunehmen).
Der Überhang und der Überfall
Überhang bedeutet, dass die Zweige oder Wurzeln eines Baumes oder Strauches des Nachbarn auf Ihr Grundstück herübergewachsen sind, somit in Ihr Eigentum übergehen und Sie diese – sofern gewünscht – auch entfernen dürfen. Der Nachbar darf diese nicht mehr von Ihnen herausverlangen, denn sie gehören Ihnen. Beim Überfall handelt es sich um Fallobst, das vom Obstbaum des Nachbarn in Ihren Garten fällt. Auch hier gilt: Alles was in Ihrem Garten landet gehört ab sofort Ihnen.
Wenn Sie als Nachbar störende Zweige kurzum auf eigene Faust entfernen, dann muss der Nachbar für diese Kosten aufkommen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass Sie ihm zuvor eine angemessene Frist zur Selbstvornahme gesetzt haben. Lässt der Nachbar diese Frist verstreichen oder verweigert gar die Entfernung, so können Sie guten Gewissens eigenmächtig tätig werden. Im Falle von eindringenden Wurzeln besteht die Voraussetzung der Frist nicht, allerdings muss der Nachbar vom bevorstehenden Abschneiden in Kenntnis gesetzt werden, um mögliche Schäden an der Pflanze vermeiden zu können.
Dies jedoch immer vor dem Hintergrund, dass durch die Wurzeln und Zweige eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung für Sie vorliegt. Konkret heißt das: Ästhetische Gründe reichen hierbei nicht aus – vielmehr müssen Sie in der Nutzung Ihres Grundstücks beeinträchtigt werden, zum Beispiel dann, wenn die Wurzeln Risse oder Schäden in Ihrem Garten anrichten.
Der Überbau
Der sogenannte „Überbau“ ist ein in der Praxis sehr häufig vorkommender Fall. Überbau bedeutet: Ihr Nachbar hat versehentlich ein Gebäude errichtet, das in Teilen bereits auf Ihrem Grundstück steht, er also die Grenze zu Ihrem Eigentum überschritten hat. Diesen Überbau haben Sie in der Regel zu dulden, eine Abrissverfügung wird als unverhältnismäßig erachtet. Da der Nachbar nicht vorsätzlich gehandelt hat, möchte der Gesetzgeber nicht, dass ihn die harte Folge des Rückbaus oder gar Abrisses trifft. Das Eigentum an dem überbauten Teil bleibt nach wie vor beim Nachbarn. Allerdings muss der Nachbar Sie für diese Beeinträchtigung finanziell entschädigen. Die Entschädigung wird jährlich im Voraus entrichtet, ist also laufend und nicht nur einmalig.
Der Grenzbaum
Für den (in der Praxis durchaus nicht seltenen) Fall, dass ein Baum oder ein Strauch direkt auf der Grundstücksgrenze steht und dieser Früchte trägt, so regelt das Gesetz die Aufteilung zu gleichen Teilen der Früchte. Das heißt, ein Grenzapfelbaum mit 40 Äpfeln verschafft Ihnen 20 Äpfel, die andere Hälfte bleibt beim Nachbarn.
Sollte der Baum gefällt werden, gilt selbiges – der Ertrag des Baumes, also z.B. das Holz geht zum einen Teil an Sie, der andere Teil bleibt beim Nachbarn. Allerdings werden auch die Beseitigung bzw. die Kosten dafür auf beide aufgeteilt.