Was ist das sogenannte Nachbarschaftsrecht und was umfasst es?

Wer kennt das nicht: Der Baum ragt auf das Nachbargrundstück, der Zaun verdeckt die Sicht, das Nachbarsgebäude überschreitet die Grenze zu Ihrem Eigentum. Und schon entstehen brisante Streitigkeiten mit dem Nachbarn, die sich leicht zuspitzen können.

Da das Nachbarschaftsrecht oftmals undurchsichtig und schwer greifbar sein kann, erklären wir Ihnen, wovor Sie sich einerseits schützen können und was andererseits zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Akzeptanz gehört.

Welche Rechte und Pflichten haben Nachbarn?

Nachbarschaftsverhältnisse bringen in der Praxis häufig Interessenkonflikte mit sich. Wo Menschen nahe beieinander wohnen, insbesondere also im urbanen Bereich, kommt es naturgemäß leicht zu Konflikten. Daher zielt das private Nachbarschaftsrecht in erster Linie darauf ab, durch klare Vorschriften ein friedliches Verhältnis zwischen den Nachbarn zu fördern. Häufig wird bei Konflikten danach entschieden, was geduldet werden kann und welche Kompromisse angemessen erscheinen. Das leuchtet ein, schließlich sollen die streitenden Parteien ja auch nach Beilegung des Konfliktes noch auf Dauer nebeneinander leben können.

Dabei zählen natürlich nicht nur Grundstückseigentümer, sondern auch Mieter als Nachbarn und sind somit vor Nachbarschaftsstreitigkeiten geschützt.

Mit Ihrem Eigentum dürfen Sie machen was Sie wollen und es steht Ihnen frei, wie Sie es nutzen. Wer auf Ihr Grundstück kommen darf, wie und ob Sie es bebauen, wem sie es gegebenenfalls weiterverkaufen – das alles liegt allein in Ihrer Gewalt.

Die Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn Sie Ihr Eigentum in einer Art und Weise nutzen, die für andere wiederum nachteilig ist, z.B. indem Sie dort laute Grillpartys feiern oder den ganzen Sonntag Ihr neues Laubblasgerät ausprobieren. Hier beginnt dann in der Praxis der Konflikt, denn obwohl Sie diesen Tätigkeiten grundsätzlich nachgehen dürfen, müssen Sie dabei immer auch auf Ihre Nachbarn Rücksicht nehmen.

Was muss ich als Nachbar erdulden?

Als Nachbar weigern Sie sich selbstverständlich, Beeinträchtigungen, die vom Nachbargrundstück oder von der Nachbarwohnung im Mehrfamilienhaus ausgehen, hinzunehmen. Doch manchmal verlangt der Gesetzgeber von Ihnen genau das.

Handeln im Notfall

Im privaten Nachbarschaftsrecht gibt es Situationen, in denen Eigentumsverletzungen aufgrund einer Notlage gerechtfertigt sind.

Beispiel: Stellen Sie sich einmal vor, das Nachbarhaus brennt und das Feuer droht auf Ihr Haus überzugehen. Kurzum entschließen Sie sich, das Feuer zu löschen. Dabei entsteht dem Nachbarhaus ein Sachschaden – hier ist der Sachschaden gerechtfertigt, da von dem Haus eine Gefahr für Sie selbst ausgegangen war. Der Nachbar muss den Schaden dulden.

Beeinträchtigung durch Immissionen

Lärm, schädliche Gerüche oder aber auch Licht sind Beispiele von Einwirkungen, durch die Beeinträchtigungen entstehen können. Kocht der Nachbar gerne exotisch und empfinden Sie dies als übelriechend, so müssen Sie es jedoch erdulden. Stichwort ist die sogenannte Ortsüblichkeit. Schatten durch Bäume des Nachbarn, Gerüche durch Kochen oder Kindergeschrei im Wohngebiet sind Dinge, die ortsüblich und damit hinnehmbar sind.

Nehmen wir allerdings wieder den Hausbrand als Beispiel und gehen dieses Mal davon aus, dass Sie ihn zu spät erkennen, sodass Ihr Haus erhebliche Schäden durch Rauch und Löschwasser erleidet. Hier muss der Nachbar für den finanziellen Schaden aufkommen (die physische Beschädigung durch Löschwasser bei Hausbrand ist allerdings hinzunehmen).

Der Überhang und der Überfall

Überhang bedeutet, dass die Zweige oder Wurzeln eines Baumes oder Strauches des Nachbarn auf Ihr Grundstück herübergewachsen sind, somit in Ihr Eigentum übergehen und Sie diese – sofern gewünscht – auch entfernen dürfen. Der Nachbar darf diese nicht mehr von Ihnen herausverlangen, denn sie gehören Ihnen. Beim Überfall handelt es sich um Fallobst, das vom Obstbaum des Nachbarn in Ihren Garten fällt. Auch hier gilt: Alles was in Ihrem Garten landet gehört ab sofort Ihnen.

Wenn Sie als Nachbar störende Zweige kurzum auf eigene Faust entfernen, dann muss der Nachbar für diese Kosten aufkommen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass Sie ihm zuvor eine angemessene Frist zur Selbstvornahme gesetzt haben. Lässt der Nachbar diese Frist verstreichen oder verweigert gar die Entfernung, so können Sie guten Gewissens eigenmächtig tätig werden. Im Falle von eindringenden Wurzeln besteht die Voraussetzung der Frist nicht, allerdings muss der Nachbar vom bevorstehenden Abschneiden in Kenntnis gesetzt werden, um mögliche Schäden an der Pflanze vermeiden zu können.

Dies jedoch immer vor dem Hintergrund, dass durch die Wurzeln und Zweige eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung für Sie vorliegt. Konkret heißt das: Ästhetische Gründe reichen hierbei nicht aus – vielmehr müssen Sie in der Nutzung Ihres Grundstücks beeinträchtigt werden, zum Beispiel dann, wenn die Wurzeln Risse oder Schäden in Ihrem Garten anrichten.

Der Überbau

Der sogenannte „Überbau“ ist ein in der Praxis sehr häufig vorkommender Fall. Überbau bedeutet: Ihr Nachbar hat versehentlich ein Gebäude errichtet, das in Teilen bereits auf Ihrem Grundstück steht, er also die Grenze zu Ihrem Eigentum überschritten hat. Diesen Überbau haben Sie in der Regel zu dulden, eine Abrissverfügung wird als unverhältnismäßig erachtet. Da der Nachbar nicht vorsätzlich gehandelt hat, möchte der Gesetzgeber nicht, dass ihn die harte Folge des Rückbaus oder gar Abrisses trifft. Das Eigentum an dem überbauten Teil bleibt nach wie vor beim Nachbarn. Allerdings muss der Nachbar Sie für diese Beeinträchtigung finanziell entschädigen. Die Entschädigung wird jährlich im Voraus entrichtet, ist also laufend und nicht nur einmalig.

Der Grenzbaum

Für den (in der Praxis durchaus nicht seltenen) Fall, dass ein Baum oder ein Strauch direkt auf der Grundstücksgrenze steht und dieser Früchte trägt, so regelt das Gesetz die Aufteilung zu gleichen Teilen der Früchte. Das heißt, ein Grenzapfelbaum mit 40 Äpfeln verschafft Ihnen 20 Äpfel, die andere Hälfte bleibt beim Nachbarn.

Sollte der Baum gefällt werden, gilt selbiges – der Ertrag des Baumes, also z.B. das Holz geht zum einen Teil an Sie, der andere Teil bleibt beim Nachbarn. Allerdings werden auch die Beseitigung bzw. die Kosten dafür auf beide aufgeteilt.

Wie gehe ich bei einem Nachbarschaftsstreit am besten vor?

Für Sie als Betroffener ist zunächst immer maßgeblich, von wem die nachbarrechtliche Störung ausgeht. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil Sie als Privatperson andere Rechte und Verpflichtungen als beispielsweise eine öffentliche Einrichtung haben.

Als Faustregel gilt: Handelt die öffentliche Hand, so ist es eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit, handeln hingegen Private, also Personen aber auch Personengesellschaften, so muss zivilrechtlich dagegen vorgegangen werden.

Zunächst sollten Sie allerdings die außergerichtlichen Wege ausschöpfen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Nachbarn – vielleicht zeigt sich dieser ja kulant oder ist gar überrascht und wusste von der Beeinträchtigung gar nichts.

Zudem gibt es auch die Möglichkeit einer Mediation, also einer aussöhnenden Vermittlung zur gemeinsamen Lösung von Meinungsverschiedenheiten, Streitigkeiten oder Konflikten. Es handelt sich um ein gesetzlich anerkanntes und von den Gerichten zunehmend befürwortetes und praktiziertes Verfahren.

Die Mediation ist freiwillig und wird nicht öffentlich zwischen den Konfliktpartnern und einem unabhängigen, neutralen Mediator geführt. Dieser wird von den Konfliktparteien ausgewählt.

Eine Mediation basiert auf einem konstruktiven Umgang miteinander und soll zu einem gemeinsam erschlossenen Ergebnis führen, mit dem alle Beteiligten dauerhaft leben können. Das Ergebnis wird rechtsverbindlich festgehalten und ist für beide Konfliktpartner bindend.

Ihre Vorteile:

  • Eine schnelle und effiziente Lösung des Problems/Konflikts.
  • Sie vermeiden Gerichtsverfahren und sparen so Energie, Zeit und Geld.
  • Unbürokratische, transparente Wege.
  • Kooperative und konstruktive Resultate.
  • Eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung, sodass ein partnerschaftliches Miteinander für die Zukunft gewährleistet wird.
  • Eine nachhaltige Lösung aufgrund eines schriftlich vereinbarten und bindenden Mediationsergebnisses.

Sollte keine gemeinsame Lösung gefunden werden können, steht Ihnen der Rechtsweg immer noch offen. Sie haben z. B. die Möglichkeit, einen Unterlassungsanspruch gegen den Nachbarn einzuklagen. Um hierauf bestens vorbereitet zu sein, empfiehlt es sich stets Protokoll über die Beeinträchtigungen zu führen und Zeugen zu organisieren.

Wenn möglich sammeln Sie weitere Beweise, wie Fotos oder Messungen. Auch private Gutachten können bei Gericht angebracht werden, müssen aber zunächst von Ihnen selbst bezahlt werden.